Die Neue (alte) Weltordnung – Teil 8

Quelle:

19. Mai 2023

Interview, geführt von dem Journalisten Pedro Pinto mit Yuval Noah Harari in Lissabon – Teil 4

Yuval Noah Harari:
Heute sprechen viele Menschen über das Metaversum. Das Metaversum ist genau das. Es ist die Vorstellung von der Erschaffung eines immateriellen Bereichs, der vollständig aus Daten besteht. Darin gibt es keine Biologie und Physik, wie wir sie kennen.

Pedro Pinto:
Ich würde gerne von dir wissen, wie du die Zukunft im Bereich Arbeit siehst.

Ich habe gestern gesehen, dass „British Telecom“ (BT – Das britische Telekom-Unternehmen) wegen der Einführung von Künstlicher Intelligenz und anderer fortgeschrittener Technologie bis zum Jahr 2030 insgesamt 55 000 Mitarbeiter entlassen wird, weil dann nicht mehr so viele Menschen gebraucht werden, die dort sitzen, so wie es heute noch der Fall ist.

Was denkst du ist die wichtigste Fähigkeit und Ressource, die wir als Menschen haben müssen, um zu gedeihen und die kommenden Jahre zu überleben?

Yuval Noah Harari:
Das ist die Fähigkeit, sich weiter zu verändern. Keine einzige Fähigkeit ist sicher.

So haben zum Beispiel früher die Leute gedacht: „All diese Arbeitsplätze werden zwar verschwinden; aber man wird jede Menge Programmierer brauchen, um all die Codes und die Algorithmen für die KI zu schreiben.“

Aber die neue Generation der KI kann jetzt selbst programmieren. Möglicherweise wird man in ein paar Jahren keine oder nur sehr wenige menschliche Programmierer benötigen.

Wir wissen NICHT, welche Fähigkeiten die sichersten sind. Wir wissen aber, dass der Arbeitsmarkt sich ständig verändern wird. Es ist nicht so, dass alle Arbeitsplätze verschwinden werden; viele ja, aber es werden dann viele neue entstehen, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können. Doch die Menschen werden sich umschulen müssen.

Und das ist nicht nur finanziell schwierig, da die Menschen ja ihre bisherigen Arbeitsplätze verlieren. Sie brauchen Wochen, Monate und vielleicht sogar Jahre, um für eine neue Arbeitsstelle umgeschult zu werden. Wer wird sie bei diesem Übergang unterstützen?

Das psychologische Problem ist dabei sogar noch größer. Wir sind für diese ständigen schnellen Veränderungen nicht geschaffen. Denk dir in diesem Zusammenhang, dass du dich alle 5 Jahre beruflich und persönlich selbst neu erfinden musst. Wer kann so etwas?

Es geht nicht darum, dass wir eine besondere Fähigkeit lernen müssen. Wir müssen unseren GESAMTEN GEIST umbauen, um flexibler zu sein. Und das ist etwas, was der Einzelne nicht selbst schaffen kann. Da müssen dann wiederum Regierungen und Gesellschaften eingreifen und für mentale und psychologische Unterstützung sorgen. Denn die größte Schwierigkeit wird dabei der Stress sein. Veränderung ist immer stressig, und das Stressniveau auf der Welt steigt immer mehr. Ich denke, dass wir nahe an den Punkt gekommen sind, an dem wir damit nicht mehr zurecht kommen, weil das alles viel zu schnell abläuft.

Ich möchte auf das zurückkommen, was wir anfangs besprochen haben, nämlich dass wir organische Wesen sind. Wir brauchen Schlaf. Wir müssen uns ausruhen. Wir müssen uns Auszeiten nehmen. Es fällt uns schwer, uns zu ändern. Und JETZT leben wir in einer Welt, die zunehmend von anorganischen Wesen dominiert wird, die nie schlafen, die sich nicht ausruhen müssen und die nicht in Urlaub fahren. Und diese Welt verändert sich in einem so schnellen Tempo, dass es für alle organische Wesen unmöglich ist, damit Schritt zu halten.

Wenn wir keinen Weg finden, der uns eine Pause verschafft, um die Dinge ein wenig zu verlangsamen, damit unsere organischen Körper Schritt halten können, werden wir psychologisch zusammenbrechen.

Pedro Pinto:
Wir kommen nun zu unseren Fragen, du du möglichst kurz beantwortest. Wir stellen sie am Schluss jedem unserer Gäste.

Yuval Noah Harari:
Ich bin nicht gut darin, kurze Antworten zu geben.

Pedro Pinto:
Was siehst du im Moment am meisten optimistisch, und was macht dich in der heutigen Welt absolut verrückt? Vielleicht kannst du zu jedem einen Satz sagen?

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