Die Neue (alte) Weltordnung – Teil 7

Quelle:

19. Mai 2023

Interview, geführt von dem Journalisten Pedro Pinto mit Yuval Noah Harari in Lissabon – Teil 3

Yuval Noah Harari:
Die gegenwärtige Generation der Künstlichen Intelligenz vermag dich jetzt viel besser zu kennen als die KI von 2016. Darüber hinaus kann sie den Inhalt eines Videos selbst generieren. Sie braucht nicht mehr auf einen Menschen zu warten, der diese ungeheuerlichen Falschnachrichten-Geschichten erfindet. Die KI kann sie selbst erstellen und auch entsprechende Videos dazu kreieren.

Ich muss es noch einmal sagen: Wenn wir das nicht regulieren, sind die Chancen, dass die Demokratie überlebt, äußerst gering. Aber Diktaturen werden überleben. Sie blühen im Chaos und bei Misstrauen auf. Wenn Menschen dazu gebracht werden, sich gegenseitig derart zu misstrauen, dass sie sich über gar nichts mehr einig werden können, dann ist der einzige Weg, eine Gesellschaft zu erhalten, eine Diktatur.

Um eine Demokratie aufrecht zu erhalten, müssen die Menschen einander vertrauen, um sinnvolle Gespräche miteinander führen zu können.

Pedro Pinto:
Eine Sache, über die ich viel nachdenke, ist die Bildung. Es gibt da Bildungsplattformen mit einer besonderen Struktur, um junge Menschen in ihren sie prägenden Jahren zu begleiten.

Wenn ich mir die Technologie und ganz speziell die mit der aufkommenden Künstlichen Intelligenz und meine geringen Erfahrungen damit anschaue, frage ich mich, wie sich das auf die globale Bildungsstruktur auswirken wird, wobei die Kinder nicht mehr wirklich viel lernen und Bücher lesen müssen, sondern stattdessen innerhalb von wenigen Sekunden mit ihrem Tabletcomputer oder mit ihrem Handy Zugang zu allem haben.

Wie siehst du die Zukunft der Bildung, die kommenden Generationen und die Art der Informationen, welche sie dann haben werden?

Yuval Noah Harari:
Weißt du, es ist das größte Experiment in der Geschichte, das mit Milliarden von Menschen durchgeführt wird. Wir haben keine Ahnung, welche gesellschaftlichen und psychologischen Konsequenzen das haben wird. Was wird geschehen, wenn man auf jede Frage irgendeine Antwort bekommt? Man braucht dann nichts weiter zu tun, als einfach nur seinen KI-Assistenten zu fragen.

Weißt du, selbst Google ist aus diesem Grund schon erschreckend. Denn wenn du etwas googlest, bekommst du mit deiner Zustimmung eine ganze Liste mit Webseiten. Für gewöhnlich gehst du dann auf die erste Webseite. Und das ist das Problem. Dabei trittst du aber immer noch selbst in Aktion. Du schaust sie dir an und liest die Informationen.

JETZT gibt es eine neue Generation der KI. Da stellst du einfach nur die Frage und bekommst irgendeine Antwort. Die große Frage dabei ist: Hast du dann immer noch die Fähigkeit zum kritischen Denken und die Möglichkeit, die Antwort, die du erhältst anzuzweifeln und nach alternativen Antworten zu suchen oder deine eigenen Antworten herauszufinden?

Wir haben diese Art von Tendenz zu sagen: „Wir hatten schon vorher Revolutionen in der Informatik-Technologie, vor der Menschen sich gefürchtet haben. Als Bücher auf den Markt amen, sagte man, dass die Menschen sich nichts mehr würden merken können, weil jetzt alles in schriftlicher Form vorliegt.“

Aber wie ich schon zu Beginn sagte, ist Künstliche Intelligenz grundsätzlich anders als jede bisherige Informatik-Technologie. Sie kann selbstständig Entscheidungen treffen und Inhalte erstellen. Wir waren niemals zuvor mit dieser Art von Technologie konfrontiert.

Von daher haben wir keine Vorstellung darüber, welche Auswirkungen das in 10 oder 20 Jahren auf die Bildung oder irgendeinen anderen Bereich haben wird.

Pedro Pinto:
Ich möchte jetzt einmal ein wenig von der Künstlichen Intelligenz abkommen, aber mit der Technologie fortfahren, die weiterhin angewendet wird und die einen Einfluss auf unser tägliches Leben hat.

Ich denke, die meisten von uns können sich nicht allzu weit von ihren Telefonen entfernen. Damit können wir Gutes oder Schlechtes tun. Wenn es um Technologie geht, beeinflusst sie die Art und Weise, wie wir miteinander umgehen.

Manchmal rede ich mit meinen Freunden darüber, dass wir in gewisser Weise Rückschritte machen. Wir sind zwar technisch besser verbunden als zuvor, doch wir kommunizieren in einer distanzierteren Art miteinander, als wir das vielleicht Jahrzehnte zuvor getan hatten. Irgendwie sind wir zu den alten Ägyptern zurückgekehrt, denn unsere Emojis erinnern an deren Hieroglyphen. Weißt du, das ist die Art und Weise, in der wir heute miteinander kommunizieren.

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