Himmelsfreuden – Teil 6

Quelle
„The Happiness of Heaven“ von Fr. J. Boudreau S.J.

Die liebende Kraft der Seele

Bei der „glückseligen Vision“, wenn wir Gott nach der Entrückung von Angesicht zu Angesicht sehen, werden unsere intellektuellen Fähigkeiten verherrlicht und unser natürlicher Wissensdurst für immer gestillt.

Doch wir haben noch eine andere Fähigkeit, welche „die liebende Kraft der Seele“ genannt wird. Auch diese Fähigkeit wird bei der „glückseligen Vision“ verherrlicht werden. Das bedeutet, dass unser fortwährendes Verlangen nach Glück, das wir vergeblich bei den Geschöpfen hier auf der Erde gesucht haben, dann vollständig befriedigt wird.

Wir werden nun sehen, dass bei der „glückseligen Vision“ unsere moralische Natur erhöht, geadelt und durch die Teilhabe an Gottes Heiligkeit, Seligkeit und Liebe Ihm ähnlich gemacht wird .

Doch werfen wir zunächst einen Blick auf uns selbst, wie wir uns jetzt in unserem gefallenen Zustand befinden. Als sich unsere Ureltern – Adam und Eva – durch ihre Sünde gegen Gott auflehnten, gaben sie dadurch die ewige Regel der Rechtschaffenheit auf, die Gottes Wille ist. Ihre Leidenschaften, die bisher unter der Kontrolle der Vernunft standen, lehnten sich plötzlich gegen Gottes Willen auf, und ihr eigener Wille wandte sich von Gott ab.

Wir, ihre Nachfahren, haben alle die Folgen ihres Sündenfalls geerbt. Wir versuchen ständig, unseren eigenen kapriziösen Willen durchzusetzen, der uns mitunter zu Exzessen führt, die uns, wenn wir in nüchternen Momenten darüber nachdenken, die Schamröte ins Gesicht treibt.

Wir sind hartnäckig darauf bedacht, unser Glück in den Geschöpfen und dem Erschaffenen zu suchen, obwohl uns die Vernunft selbst lautstark verkündet, dass es dort NICHT zu finden ist. Offenbar ist also unser Wille durch den Sündenfall unserer Ureltern auf traurige Weise pervertiert worden.

Eines der Ziele der christlichen Religion ist es, den menschlichen Willen wieder in Einklang mit dem göttlichen Willen zu bringen und ihn dazu zu motivieren, Gott über alles zu lieben. Doch trotz der vielfältigen christlichen Lehren, trotz der Sakramente und der vielen Gnaden, die wir täglich empfangen, trotz Gebet, Meditation und anderer spirituellen Übungen wird dieses großartige Ziel in dieser Welt nur TEILWEISE erreicht. Denn wir finden unseren verkehrten Willen immer wieder in Rebellion gegen Gott.

Wenn uns eine Anweisung gegeben wird, die nicht mit unseren Wünschen, privaten Interessen, Ansichten oder natürlichen Neigungen übereinstimmt, müssen wir uns nicht selten mit aller Kraft dazu zwingen, sie zu befolgen. Und wenn wir gehorchen, dann oft nur, nachdem wir alles in unserer Macht Stehende getan haben, um uns unter Vorwänden oder Ausreden der Gehorsamspflicht zu entziehen.

In der Tat können wir alle mit dem Apostel Paulus sagen:

Römerbrief Kapitel 7, Verse 22-23

22 Denn nach meinem inneren Menschen stimme ich dem göttlichen Gesetz freudig zu, 23 nehme aber in meinen Gliedern ein andersartiges Gesetz wahr, das dem Gesetz meiner Vernunft widerstreitet und mich gefangennimmt unter DAS GESETZ DER SÜNDE, das in meinen Gliedern wirkt.

Welch eine Tyrannei übt dieses „Gesetz der Sünde“ über die Menschheit aus, sogar auf den Willen von Christen!

  • Wie oft entdecken sie bei näherer Betrachtung, dass ihr Wille von der ewigen Ordnung abgewichen ist, die ja der Wille Gottes ist!
  • Wie oft stellen sie fest, dass sie ihre eigene statt Gottes Herrlichkeit gesucht haben!
  • Nachdem sie wirklich große Dinge getan haben, von denen sie glaubten, dass sie diese nur für Gott getan hätten, stellen sie zu ihrem Kummer fest, dass sie dabei insgeheim zu einem Großteil ihren eigenen Willen durchgesetzt und nach ihrem eigenen Ruhm getrachtet hatten. Und sie haben allen Grund zu befürchten, dass sie ihren Lohn für ihre guten Taten bereits durch den menschlichen Applaus erhalten haben, den sie ja gewollt hatten oder in dem sie sich so selbstgefällig sonnten, als er ihnen ungewollt und plötzlich zuteil wurde.

Es wird gesagt, dass Personen, die von einer Viper gebissen wurden und die sich durch die Anwendung rechtzeitiger Heilmittel retten konnten, nie wieder dieselbe Gesundheit haben wie zuvor. Manchmal zeigen sich an der Stelle, wo sie gebissen wurden, Schwellungen. Mitunter leiden sie unter akuten Schmerzen oder haben einen krankhaften und verdorbenen Appetit auf das, was sie nicht essen sollten. Zu anderen Zeiten verspüren sie eine allgemeine Mattigkeit, die ihnen ihre Energie raubt, so dass alles, was sie tun, eine äußerst schmerzhafte Anstrengung von ihnen abverlangt. Offensichtlich lauert immer noch ein Teil des Giftes in ihrem Organismus, und solange es dort bleibt, werden diese Gebrechen nie vollständig geheilt werden.

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