Die Verwandlung – Teil 35

Frei – ohne Scham

„Erst wenn man sich ganz auf das Leben Christi verlässt, ist man völlig frei von der Verunsicherung über sich selbst, durch die man in einem Moment ein arroganter, vorlauter Angeber ist und im nächsten seinem Selbstmitleid zum Opfer fällt. Beides bedeutet ja, dass man in der Angst gefangen ist, was Andere über einen denken.“ (Major Ian Thomas in „The Saving Life of Christ“)

Scham kann sich auf so viele verschiedene Weisen und so gut tarnen, dass es nicht immer einfach ist, sie zu erkennen.

  • Sie wird uns beim Prahlen über unsere Erfolge unterstützen und sich Ausreden für unsere Fehler einfallen lassen.
  • Sie kann eine einfache Gabe Gottes in Gefühle der Überlegenheit umwandeln, und dann kann sie uns bei den ersten Hinweisen auf Schwierigkeiten in tiefe Minderwertigkeitsgefühle stürzen.
  • Sie kann uns durch Komplimente Anderer fesseln und uns selbst bei ehrlicher Kritik das Gefühl geben, abgelehnt zu sein.
  • Sie kann uns dazu veranlassen, verzweifelt einer Illusion des Erfolgs nachzujagen, die uns nie zufrieden stellen oder durch Versagensangst komplett lähmen kann.
  • Sie sorgt dafür, dass wir uns gute Dinge als Verdienst anrechnen, auch wenn wir sie nicht verdient haben und dass wir anderen Menschen die Schuld dafür geben, dass es ihnen schlecht geht.
  • Sie kann uns in einem Moment in Selbstgerechtigkeit schwelgen lassen und im nächsten Schuld und Selbsthass überschütten.

Scham ist das unselige Erbe einer in Sünde gefangenen Menschheit. Schon bei unserer Geburt hat sie uns ins Ohr geflüstert. Bis wir in der Liebe des himmlischen Vaters von ihr frei werden, wird sie, wie ein Krebsgeschwür, ihre Tentakel in all unser Denken und Tun bohren.

Was für eine schreckliche Last ist es doch, wenn wir unseren Wert anhand dessen, was wir tun oder was Andere über uns sagen, messen. Solange wir auf die Scham hören, wird sie unsere Energie aufzehren, und wir werden eine verdrehte Sichtweise von Gottes Wirken in uns und Anderen bekommen. Seit dem Tag, an dem Adam und Eva sich mit Feigenblättern vor der Scham zu verstecken suchten, versagen wir am meisten, wenn wir auf ihre Stimme hören oder uns von ihrer Anwesenheit verstecken wollen.

Wenn wir jedoch in der unbeschreiblichen Liebe Gottes Geborgenheit finden, wird die Scham enttarnt. Wir müssen uns an ihren Spielchen nicht länger beteiligen, dass wir uns Sorgen darüber machen, was Andere denken mögen. Dann werden wir wahrhaft erkennen, was es heißt, als Kind Gottes auf der Erde zu leben.

Jeder von uns kennt dieses Mark und Bein durchdringende Schamgefühl, wenn uns etwas, was wir gemacht haben oder was jemand gesagt hat, peinlich war. Wir werden rot, unser Magen rumort, und wir wünschen, im Boden zu versinken zu können. Aber das Ganze wirkt sich noch stärker aus.

Scham will uns weismachen, dass uns möglicherweise niemand lieben könne, wenn jemand wüsste, was wir früher gemacht haben oder wenn ihm unsere Versuchungen, Zweifel und Motive, die immer noch unter der Oberfläche schwelen, bekannt wären. Gibt es nicht auch Dinge, von denen Du hoffst, dass sie keiner jemals erfährt?

Somit geben wir vor, etwas zu sein, was uns das Gefühl gibt, dazuzugehören und merken nicht, dass alle Anderen das auch machen. Fast immer, wenn uns jemand hinsichtlich einer Sünde um Hilfe bittet, leitet er sein Bekenntnis mit einer Gegenerklärung ein: „Ja, ich weiß wahrscheinlich kämpft sonst keiner damit, aber …“ Scham hält uns häufig davon ab, so aufmerksam zu sein, dass wir erkennen, dass Andere mit den gleichen Dingen zu kämpfen haben.

Sich minderwertig zu fühlen – das ist nur eine Seite der Scham. Diejenigen, die überlegen handeln oder mit ihren Leistungen prahlen, reagieren ebenfalls auf Scham. Diese Verhaltensweisen dienen nur zur Überdeckung eines tiefen Minderwertigkeitsgefühls, normalerweise auf Kosten Anderer.

Durch all diese Schamgefühle können wir leicht manipuliert werden. Unser Wunsch, gemocht zu werden, dazuzugehören und nicht zu beschämt zu sein, wird von der Welt ausgenutzt, um uns in ihre Form zu pressen, und auch wir greifen häufig darauf zurück, damit wir von Anderen bekommen, was wir wollen. Die meisten Werbeanzeigen appellieren in gewisser Weise an diese Motive.

Auch die organisierte Religion kann sich der Scham meisterhaft bedienen. Wenn Andere etwas von uns haben wollen, werden sie uns diese Bedürfnisse aufzwingen, damit wir reagieren. Scham macht es für uns unmöglich, nein zu sagen und bietet einen Nährboden für Klatsch und Tratsch. Scham droht uns damit, gedemütigt oder fallen gelassen zu werden, wenn wir nicht tun, was Andere wollen und verspricht uns Anerkennung und Bestätigung, wenn wir gehorchen.

Dieses Verhaltensmuster lernen wir schon früh. Kinder fühlen sich häufig in dem Maße geliebt und angenommen, wie sie die Erwartungen ihrer Eltern erfüllen. Es mutet schon ironisch an, dass Eltern über die Auswirkungen des Gruppendrucks so verblüfft sind, wenn den Kindern wichtiger ist, was Freunde über sie denken, als was Mutter und Vater sagen. Auch hier wird Scham auf die gleiche Weise angewendet.

Der Auszug aus dem Artikel endet hier. Lesen Sie den gesamten Artikel als PDF.