Wie Gott in Seinen Kindern wirkt – Teil 18

Kapitel 30
Religiöse Langeweile

Jeder vernünftig denkende Mensch, der mit den Fakten vertraut ist, wird nicht leugnen können, dass in der evangelikalen Christenheit einiges gravierend schiefläuft. Aber was das ist, das ist nicht so leicht festzulegen.

Wie ich die Situation einschätze, sehe ich da einen Konflikt zwischen dem Wesen und dem Grund. Von meinem Temperament her bin ich so veranlagt, dass ich immer alles schnell mit einem Federstrich erledigen möchte. Aber die Vernunft erfordert Umsicht. So einfach ist das. Und wir müssen immer sorgfältig vorgehen, wenn wir Ursache und Wirkung voneinander unterscheiden wollen. Wie jeder Arzt weiß, besteht ein großen Unterschied zwischen der Krankheit und den Symptomen; und jeder Christ weiß, dass es da einen Riesen-Unterschied zwischen Ursache und Wirkung im Bereich der Religion gibt.

An der Wurzel dieses geistlichen Problems liegen viele Ursachen, und diese Ursachen haben Auswirkungen. Aber was die Ursache und was die Wirkung ist, ist nicht immer bekannt. Ich vermute, dass die vielen Dinge, welche die Evangelisten, Pastoren und Buchautoren gerade in Angriff nehmen, nicht die Ursachen für die Schwierigkeiten sind; aber die Auswirkungen, welche den Ursachen entspringen, sind tiefgründiger. Der Arzt behandelt die Symptome und fragt sich, warum der Patient sich nicht besser fühlt. Oder anders gesagt: Wir setzen ein schweres Feuergefecht in Gang gegen etwas, das im Wesentlichen nichts Anderes ist als die Staubwolke einer Feindestruppe, die aber schon längst abgezogen ist.

Ein Merkmal dafür, dass die Dinge nicht in Ordnung sind, ist die religiöse Langeweile. Ich weiß nicht mit Sicherheit, ob dies das Problem selbst ist oder nur ein Symptom davon, obwohl ich vermute, dass Letzteres der Fall ist. Und diese religiöse Langeweile tritt bis zu einem gewissen Grad fast überall unter Christen auf, was nicht bestritten werden kann.

Langeweile ist, wie wir wissen, ein Geisteszustand, der eintritt, wenn man versucht, das Interesse an einer Sache aufrecht zu erhalten, die für uns nicht mehr interessant ist (die Witze mit Bart vom Chef oder die Lektüre über die Züchtung und Pflege von Dahlien, der man sich widmet, weil man dem Drängen eines Freundes nicht widerstehen konnte). Niemand langweilt sich, wenn er sich guten Gewissen davon zurückziehen kann. Langeweile kommt auf, wenn man von einem Mensch erwartet, dass er mit Interesse zuhören soll, ihn das Gehörte aber überhaupt nicht beeindruckt.

Was das anbelangt, gibt es heute mit Sicherheit viel Langeweile im Bereich der Religion. Der Geschäftsmann, der in seinen Gedanken auf dem Golfplatz ist, kann kaum sein mangelndes Interesse an der Predigt verbergen, die er sich gezwungenermaßen anhören muss. Die Hausfrau, die mit dem erlernten theologischen oder philosophischen Jargon des Predigers nichts anfangen kann oder das junge Paar, welches gerade das Prickeln der Liebe füreinander spürt, aber den Einen nicht kennt, über Den der Chor singt, sie alle können sich dem mentalen, geringfügigen geistigen Schmerz nicht entziehen, den wir „Langeweile“ nennen, während sie damit zu kämpfen haben, sich auf den Gottesdienst zu konzentrieren. Alle sind zu höflich, vor den Anderen zuzugeben, dass sie gelangweilt sind. Und sie sind möglicherweise zu befangen, um es sich selbst einzugestehen. Aber ich glaube, dass da allen ein wenig mehr Offenheit gut tun würde.

Als Moses sich zu lange auf dem Berg aufhielt, wurde den Israeliten der Glaube an den tobenden Gott langweilig, den sie nicht sehen und anfassen konnten. Deshalb machten sie sich mit einem größeren Enthusiasmus daran, ein goldenes Kalb herzustellen, als dass sie ihn für den Gott Abrahams empfanden. Später hatten sie das Manna satt und beschwerten sich über die Eintönigkeit ihrer Speise. Auf ihr verdrießliches Beharren hin bekamen sie schließlich Fleisch und das ganz ohne ihr Zutun.

All jene Christen, die zu dem evangelikalen Flügel der Kirche gehören (von denen ich fest überzeugt bin, dass sie die Einzigen sind, die sich zumindest annähernd an das Neue Testament halten), haben in den letzten 50 Jahren immer mehr Ungeduld im Hinblick auf unsichtbare und ewige Dinge gezeigt und eine Menge sichtbare und weltliche Dinge gefordert und bekommen, die ihren fleischlichen Appetit befriedigt haben. Ohne biblische Autorität oder irgendein anderes Recht unter der Sonne haben fleischlich gesinnte Führer eine Menge Attraktionen in ihre Kirchen und Gemeinden eingeführt, die nur dem einen Zweck dienen, den zurückhaltenden Heiligen Unterhaltung zu bieten.

In den meisten evangelikalen Kirchen gehört es jetzt zur allgemeinen Praxis, den Leuten, speziell den jungen Leuten, ein Maximum an Unterhaltung und ein Minimum an seriöser Unterweisung zu bieten. Es ist in den meisten Kirchen kaum möglich, jemanden zu finden, der eine Versammlung besucht, bei der die einzige Attraktion Gott ist. Man kann nur daraus schließen, dass sich die bekennenden Gotteskinder mit Ihm langweilen, denn sie müssen mit religiösen Filmen, Spielen und Erfrischungen umworben werden.

Das hat die ganze Norm des Kirchenlebens beeinflusst und sogar eine neue Art von Kirchenarchitektur hervorgebracht, die dazu geeignet ist, darin das goldene Kalb zu beherbergen.

Und so haben wir diese seltsame Orthodoxie-Anomalie im Glauben und die Irrlehre in der Praxis bekommen. Die schillernden Techniken sind so vollständig in das gegenwärtige religiöse Denken integriert, dass sie bereits zur Selbstverständlichkeit geworden sind. Die ihnen zum Opfer fallen denken nicht einmal im Traum daran, dass das gar nicht Teil der Lehren von Jesus Christus und Seiner Apostel ist.

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