Wie Gott in Seinen Kindern wirkt – Teil 20

Kapitel 34
Einige Gedanken über Bücher und das Lesen

Ein großes Problem in vielen Teilen der Welt heute ist, zu lernen, wie man liest. Und in anderen Teilen dieser Erde gibt es die Schwierigkeit, etwas Gutes zum Lesen zu finden, nachdem man das Lesen erlernt hat. In unserem begünstigtem Westen werden wir überschwemmt mit gedrucktem Material, somit haben wir hier das Problem der Qual der Wahl. Es geht darum, dass wir uns entscheiden, was wir NICHT lesen wollen.

Etwa vor 100 Jahren hat Emerson aufgezeigt, dass wenn es einem Menschen möglich wäre, vom ersten Tag seiner Geburt ohne Unterbrechung 70 Jahre lang zu lesen, dann würde er am Ende dieser Zeit so viele Bücher gelesen haben, um damit lediglich eine winzige Nische in der britischen Bibliothek zu füllen. Das Leben ist so kurz, und es stehen uns so viele Bücher zur Verfügung, dass es einem Menschen nur möglich ist, sich mit dem Bruchteil von 1 % der veröffentlichten Bücher vertraut zu machen.

Man braucht wohl kaum zu erwähnen, dass wir, was das Lesen anbelangt, nicht wählerisch genug sind. Ich habe mich immer gefragt, wie viele Quadratmeter an Zeitungspapier wohl an den Augen eines zivilisierten Durchnittsmenschen im Verlauf eines Jahres vorüberzieht. Das müssen mehrere Ar sein, und ich befürchte, dass der durchschnittliche Leser nicht wirklich eine große Ernte aus diesem Ackerland einfährt.

Den besten Rat dazu habe ich von einem methodistischen Pastor bekommen. Er sagte: „Lies deine Zeitung immer im Stehen.“ Henry David Thoreau hatte auch keine hohe Meinung von der Tagespresse. Unmittelbar bevor er die Stadt verließ, um in sein neues Domizil am Ufer des Walden-Teichs zu ziehen, wurde er von einem Freund gefragt, ob er sich eine Zeitung in sein Landhaus schicken lassen wollte. Darauf antwortete Thoreau ihm: „Nein, ich habe schon eine Zeitung gesehen.“

Was das Lesen von ausgewogener Literatur anbelangt, werden wir wahrscheinlich größtenteils von der Meinung beeinflusst, die unser Chef über den Wert eines Buches hat, um informiert zu sein. Und wenn wir über Lehrbücher eines bestimmten Kurses sprechen, dann sind sie sicher gut. Doch wenn wir selbst über Bücher sprechen oder schreiben, dann haben wir da kein Lehrbuch im Sinn.

Das beste Buch ist nicht eines, das uns lediglich informiert, sondern eines, das den Leser dazu anregt, selbst Nachforschungen über ein bestimmtes Thema anzustellen. Der beste Autor ist der, der mit uns wie ein guter Reiseführer durch die Welt der Ideen geht. Er begleitet uns durch den Wald und macht uns auf Hunderte Wunder in der Natur aufmerksam, die wir zuvor niemals bemerkt hatten. So lernen wir von ihm, selbst darauf zu achten, so dass wir schon bald keinen Reiseführer mehr brauchen. Wenn der Autor seine Arbeit gut gemacht hat, dann können wir alleine gehen und werden dabei nur noch wenig verpassen.

Der Schriftsteller, der am meisten für uns tut, ist der, der unsere Gedanken auf etwas lenkt, was unserem Verstand sehr nahe ist und nur darauf wartet, als unsere eigenen Gedanken erkannt zu werden. So jemand wirkt wie ein Geburtshelfer, um Ideen ins Leben zu rufen, mit denen wir lange Zeit in unseren Seelen schwanger gegangen sind, die aber ohne die Hilfe dieser Person überhaupt nicht geboren werden konnten.

Es gibt kaum ein befriedigenderes Gefühl als die Freude, die aufkommt, wenn wir Erkenntnis durch unsere eigenen Gedanken erlangen. Wir haben alle Lehrer gehabt, die bestrebt waren, uns weiterzubilden, indem sie unseren Verstand mit uns fremden Gedanken angefüllt haben. Das waren aber meistens Vorstellungen, mit denen wir uns geistlich oder intellektuell nicht anfreunden konnten. Aus Pflichtgefühl sahen wir uns aber gezwungen, sie in unsere geistliche Philosophie zu übernehmen, was aber nie wirklich funktioniert hat.

Im wahrsten Sinne des Wortes kann kein Mensch einen anderen belehren; er kann nur dazu beitragen, dass dieser sich selbst bildet. Fakten können zwar von einem menschlichen Geist in einen anderen übertragen werden, aber das geschieht nur in Form einer Kopie, wie wenn man die Weisheiten eines Lehrers vom Tonband hört. Geschichte, wissenschaftliche Fächer und sogar Theologie können auf diese Weise gelehrt werden; aber dabei handelt es sich in der Regel um eine Art künstliches Lernen, was selten einen guten Effekt auf das tiefgründige Leben des Lernenden hat. Was der Lernende zu einem Lernprozess beiträgt, ist nämlich genauso wichtig wie alles, was der Lehrer einbringt. Wenn der Lernende aber nichts dazu beiträgt, sind die Resultate nutzlos. Bestenfalls wird auf diese Weise künstlich ein weiterer Lehrer geschaffen, der auch nur das langweilige Werk von irgendjemandem wiederholen kann, was sich dann unendlich fortsetzt.

Das Ziel von Bildung sollte eher die Wahrnehmung von Ideen und Vorstellungen sein als das Speichern von Informationen. Der menschliche Verstand sollte wie ein sehendes Auge funktionieren, statt wie ein Speicher für Fakten. Der Mensch, der vom Heiligen Geist belehrt wird, wird eher ein Seher sein als ein Gelehrter. Der Unterschied besteht darin, dass der Gelehrte zwar sieht, aber der Seher einen echten Durchblick hat. Und das ist in der Tat ein gewaltiger Unterschied.

Der menschliche Intellekt ist – selbst im gefallenen Zustand – ein Ehrfurcht gebietendes Werk Gottes; aber er liegt so lange im Dunkeln, bis er vom Heiligen Geist erleuchtet wird. Unser HERR hat wenig Gutes über den nicht erleuchteten Verstand des Menschen zu sagen, aber Er erfreut sich an dem menschlichen Geist, der durch Gottes Gnade erneuert und erleuchtet wurde. Wenn Er sogar die Stelle, wo Er Seine Füße platziert, verherrlicht, dann gibt es für Ihn kaum etwas Schöneres als ein vom Heiligen Geist erfüllter menschlicher Geist. Und es gibt sicherlich nichts Wundervolleres für Ihn als ein eifriger, wachsamer menschlicher Geist, der durch die Präsenz des ihm innewohnenden Christus erstrahlt.

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