Szenendarstellung vom Buch der Offenbarung als Lebenshilfe – Teil 5

Kapitel 3 – Teil A – Szenendarstellung – Die 144 000

Eli Jacobs trottete von der Synagoge nach Hause, mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern. Der jüdisch-orthodoxe Gelehrte sah in diesem Moment älter aus, als er mit seinen 56 Jahren war. Besonders an diesem Tag.

Eli war total entmutigt. Seine einst blühende Gemeinde in Hadera in Israel schwand dahin wie Wasser in einer Dürreperiode. Nur noch 12 Mitglieder waren übrig geblieben. Da die Gemeinde nicht mehr dazu in der Lage war, einen Rabbiner zu bezahlen, hatte sie Eli, einen ehemaligen Professor für Religion an der hebräischen Universität in Jerusalem, angefleht, ihr Laienführer zu werden.

Eli konnte nicht ablehnen – immerhin hatte er nicht die Verantwortung zu tragen wie ein Ehemann und Vater. Er war stets so tief in seine Studien versunken gewesen, dass er nie geheiratet hatte. „Was für ein Sohn bist du?“, hatte seine Mutter schonungslos geschimpft. „Du bist mit deinen Büchern verheiratet. Willst du gar nicht dafür sorgen, dass ich Enkelkinder bekomme?“

Obwohl Eli sein Leben dem Judentum gewidmet hatte, hatte er oft das Gefühl, dass an irgendeiner Stelle seine Religion den verkehrten Weg eingeschlagen hatte. Die meisten Juden in Israel waren jetzt Zionisten, was bedeutet, dass sie mehr weltlich gesinnt waren als religiös. Nur noch wenige lebten tatsächlich in der Erwartung des Messias. Und obwohl Eli wirklich sehr fromm war, berührte sein eigener Glaube nicht mehr sein Herz. Aus diesem Grund übte er seine Pflichten in der Synagoge nur noch mit zunehmender Distanziertheit aus.

Eines Abends saß Eli zu Hause in seinem Arbeitszimmer und fühlte sich völlig erschöpft, obwohl er an diesem Tag gar nicht so viel gearbeitet hatte. Wie gewöhnlich hatte er „Kol Ha Musica“ eingeschaltet, den klassischen Radio-Musiksender von Tel Aviv. Er starrte auf die geöffnete Torah, ohne wirklich etwas zu sehen, bis plötzlich ein mitreißender Chor seine schlechte Stimmung durchdrang. Er hatte dieses Stück schon sehr oft gehört. Es war „The Lost Chord“ (Der verklungene Ton) von Sir Arthur Sullivan. Aber heute Abend sprach seine Musik sein Herz an, wie niemals zuvor.

Der Text beschreibt einen erschöpften Komponisten, der an seiner Orgel sitzt und seine Hände müßig über die Tasten wandern lässt. Dabei entsteht unbeabsichtigt ein Musikakkord, der „wie ein herrliches Amen“ erklingt. Diese Tonfolge springt von der Orgel direkt in die Seele des Komponisten über, und obwohl dieser verzweifelt versucht, sie wiederzufinden, gelingt es ihm nicht. Schließlich gibt er auf und ist sich bewusst, dass er diesen Akkord erst wieder im Himmel hören wird.

„Das ist meine eigene Geschichte“, murmelte Eli. „Ich habe oft etwas Undefinierbares gespürt, wonach ich mich sehne, es voll und ganz kennen zu lernen. Aber, genauso wie bei diesem Akkord, entschlüpft es mir ständig.“ Er machte die Torah zu, schaltete das Radio ab und ging ins Bett.

Am nächsten Morgen saß Eli in seiner gewohnten Nische in dem Restaurant am Ende der Straße und bestellte sein Frühstück. Einige Augenblicke später hörte er seinen Namen, ausgesprochen in einem schottischen Akzent. Als er aufschaute, sah er einen grauhaarigen Mann mit rötlichem Gesicht im Alter von 60 Jahren neben seinem Tisch stehen.

„Professor Jacobs?“, sagte der Mann erneut.

Eli nickte.

„Ich bin Wallace Duncan, ein christlicher Pastor, der von einer Missionsgesellschaft in Edinburgh hier nach Hadera geschickt wurde. Darf ich mich setzen?“

Eli nickte erneut.

„Ich wollte Sie kennen lernen“, sagte Duncan, „weil es den Anschein hat, dass Sie und ich die einzigen nicht-muslimischen Religionsführer in dieser Stadt sind. Obwohl sich unsere Glaubensüberzeugen sehr unterscheiden, dachte ich mir, dass Sie vielleicht dazu bereit sein könnten, mir bei meiner Stellung hier zu helfen, wenn ich mit meiner Arbeit anfange.“

Nun begann der Schotte damit, seinen Dienst zu erklären. Zurzeit gab es 75 Christen in Hadera, und sie hatten die Missionsgesellschaft darum gebeten, ihnen einen Pastor zu schicken. Also hatte er den Auftrag bekommen, die separaten Hausgemeinden zu einer einzigen Gemeinde zu vereinen.
„Dann hat Hadera mehr Christen als fromme Juden“, bemerkte Eli, während er den Kopf schüttelte.
Als die Konversation sich fortsetzte, fanden die beiden Männer heraus, dass sie viele Gemeinsamkeiten hatten: Sie liebten dieselben Bücher, die gleiche Musik und waren begeisterte Fans von amerikanischem Baseball. Eine Stunde später trennten sie sich. Aber sie hatten sich versprochen, sich am kommenden Freitag wieder zu treffen.

So kam es, dass die beiden sich die nächsten drei Wochen an jedem Freitagmorgen zum Frühstück verabredeten, und ihre Freundschaft wuchs. Angesichts des derzeitigen Tumults in Europa war es unvermeidlich, dass der jüdische Professor und der schottische Pastor über Politik und den zunehmenden Einfluss des britischen Premierministers Judas Christopher sprachen. Eli sagte: „Ich habe sogar Gerüchte von Schlägereien gehört, die es gegeben hat, weil die Europäische Union sich zu einem einzigen Reich vereinigen und Christopher zu ihrem Oberhaupt machen will.“

„Ich bin davon überzeugt, dass dies erst die ersten Erschütterungen des bevorstehenden Umbruchs sind, der die weltweiten Katastrophen auslösen wird, welche in Ihrem Tanach, den wir Christen das Alte Testament nennen, vorhergesagt sind, gleichwie in den Schriften des Neuen Testaments“, entgegnete Duncan.

Der Auszug aus dem Artikel endet hier. Lesen Sie den gesamten Artikel als PDF.