Die Riesen im Inneren bekämpfen – Teil 28

Widerstehe Deiner Unversöhnlichkeit – Teil 1

Leonard Holt war ein langjähriger Mitarbeiter in einer Papierfabrik. Er hatte 18 Jahre in dieser Firma in einer Kleinstadt in Pennsylvania als technischer Laborant gearbeitet. In seiner Freizeit leitete er eine Pfadfindergruppe, oder er beschäftigte sich mit seinen Kindern. Darüber hinaus war er bei der freiwilligen Feuerwehr. Leonard war ein aktives Kirchenmitglied und die wahre Verkörperung eines fürsorglichen Bürgers der Gemeinde.

Jeder bewunderte ihn – bis zu dem Tag, an dem er zwei Pistolen in seine Manteltaschen steckte, zur Papierfabrik fuhr und dort methodisch Freunde und langjährige Kollegen erschoss. Leonard feuerte 30 tödliche Kugeln ab und richtete eine Menge Sachschaden an. Die Leute in der Kirchengemeinde waren fassungslos und total betrübt. Wie konnte ihr Pfadfinderleiter, freundlicher Nachbar bzw. Glaubensbruder so etwas Schreckliches tun? Wenn ein Mann wie Leonard Holt zu so etwas fähig war, wem konnte man da überhaupt noch trauen?

Es dauerte geraume Zeit, bis man die Komplexität dieses Rätsels von Leonards Ausraster in vollem Umfang verstand. Ermittler, Freunde und Nachbarn begannen damit, die Teile seines Lebens zusammenzusetzen, die dafür gesorgt hatten, dass eine ganze Kleinstadt in Aufruhr versetzt wurde. Wer war der Dämon, welcher Leonard Holt in seinen Klauen hatte? Nachdem die Bürger viele Gespräche geführt, ihre Beobachtungen ausgetauscht und sämtliche Puzzle-Teile zusammengetragen hatten, ergab sich ein Bild, das schon sehr lange vorhanden gewesen war. Sie hatten sich einfach nur dafür entschieden, es zu übersehen. Es gab da noch etwas unterhalb dem hart arbeitenden Mann, dem lächelnden Nachbarn und dem freiwilligen Helfer.

Sie entdeckten den Dämon, und sein Name lautete „Unversöhnlichkeit“. Der Auslöser war in Leonards Arbeitsstelle zu finden. Bei seiner 19-jährigen Tätigkeit dort hatte er immer sein Bestes gegeben. Dennoch waren Andere, die weiter unter ihm standen, vor ihm befördert worden. Keiner von ihnen hatte den Gefühlen von Leonard in dieser Sache Beachtung geschenkt. Aber jetzt lagen viele der Männer, die befördert worden waren, auf dem Friedhof begraben.

Ein weiteres Schlüsselelement war Leonards Fahrgemeinschaft. Einige Kollegen hatten sich wegen dessen rücksichtslosem und gefährlichem Fahrstil abgemeldet. Niemand hatte den Verdacht gehabt, dass der Dämon der eiternden Bitterkeit die Kontrolle über die Seele dieses Mannes bekommen hatte.

Dennoch war Leonard Holt nur ein weiteres Gesicht in der Menge – ein Gesicht, das früher oder später im „Time“-Magazine erscheinen würde.

Vielleicht die beste Beschreibung der Macht der Unversöhnlichkeit stammt von dem Autor Charles_Dickens in seinem Roman Große_Erwartungen. Darin wird uns der unsterbliche Charakter Miss Havisham vorgestellt, die vor vielen Jahren am Altar stehen gelassen wurde. Damals trug sie ihr Hochzeitskleid. Um 9.00 h sollte ihr Bräutigam kommen, damit die Trauung beginnen konnte. Die riesige Hochzeitstorte und ein üppiges Hochzeitsmahl schienen auf sie zu warten. Genau um 8.50 h bekam sie die Nachricht, dass ihr Bräutigam nicht kommen würde. Er war mit einer anderen Frau durchgebrannt.

Von diesem Moment an blieb die Zeit im Haus von Miss Havisham stehen. Jede Uhr stand auf 8.50 h. Und Miss Havisham wurde alt, trug aber immer noch ihr Hochzeitskleid mit dem Schleier, das inzwischen verblasst, vergilbt und zerfleddert war. Die Fenster des verkommenen Hauses waren so verhangen worden, dass kein einziger Sonnenstrahl eindringen konnte. Seit Jahrzehnten standen die Hochzeitstorte und das Hochzeitsessen auf den Tischen. Das meiste davon war von Ratten und Spinnen vertilgt worden. Die Ratten waren hinter den Wandpaneelen zu hören. Und Miss Havisham sagte: „Schärfere Zähne als die der Ratten nagen an mir.“

Und damit hatte sie vollkommen Recht. Die Zähne der Unversöhnlichkeit sind in der Tat messerscharf, können tief einschneiden und das Leben veröden, welches Gott als Fest im Überfluss vorgesehen hat. Unversöhnlichkeit zieht die Vorhänge der Seele zu und blockiert den Sonnenschein.

Das Thema des letzten Kapitels war der Zorn. Unversöhnlichkeit ist ein Zorn, der sich mit der Zeit vervielfacht. Sie zerstreut sich nicht wie Zorn, sondern lauert unter der Oberfläche, von jedem Ultraschallgerät unentdeckt. Der Autor Lewis B. Smedes schrieb einmal:

„Wir können meinen, Frieden zu haben, während die Furien des Zorns in uns toben, unterhalb der Oberfläche. Dort, verborgen und unterdrückt öffnet unser Hass die unterirdischen Hähne der Bosheit, welche dann womöglich all unsere Beziehungen in der Weise vergiftet, wie wir es nicht vorhergesehen haben.“

Mein guter Freund Gary Inrig hat mir einmal die Geschichte eines Mannes erzählt, der von einem Hund gebissen wurde und später feststellen musste, dass er dabei mit Tollwut infiziert worden war. Das Krankenhaus bestätigte diese Diagnose. Die Infektion war aber schon so weit fortgeschritten, dass sie nicht mehr geheilt werden konnte. Diese schlechte Nachricht musste der Arzt seinem Patienten übermitteln. Er sagte: „Mein Herr, wir würden gerne alles tun, um Sie zu trösten. Aber wir können Ihnen keine falsche Hoffnungen machen. Der beste Rat, den ich Ihnen geben kann, ist, dass sie so schnell wie möglich Ihre Angelegenheiten in Ordnung bringen.“

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